by S Alexander Alich, Übersetzung von Leonie Werner

Zu Beginn unserer spirituellen Arbeit stehen meist unsere Lehrer, ihre Persönlichkeit und was wir von ihnen lernen können, im Mittelpunkt unseres Interesses. Ein guter Lehrer kann unseren Verstand und unser Herz öffnen, uns in neue Wege der spirituellen Arbeit einführen und uns eine neue Sicht von der Welt und von uns selbst ermöglichen. Die Beziehung zu ihm oder ihr ist wichtig für unser Wachstum und unsere Entwicklung, aber sie ist gleichzeitig sehr komplex und funktioniert nicht immer so gut, wie wir uns das wünschen. Im Laufe meiner Arbeit im Westen ist mir aufgefallen, daß es hier keine Vorbilder für spirituelle Lehrer gibt.

Die meisten von uns denken in dem Zusammenhang an ihre Erfahrungen in der Schule, und leider bereiten uns die Erlebnisse unserer Schulzeit nicht auf die Arbeit mit einem spirituellen Lehrer vor. Ohne gute und realistische Vorbilder tendieren wir zu extrem hohen Erwartungen an unsere Lehrer, z.B. sie werden mir alle Antworten geben, mir helfen erwachsen zu werden, mein bester Freund, meine beste Freundin sein, mich nie verletzen und vieles mehr. Wir können sogar Jahre mit der Suche nach dem perfekten Lehrer verbringen, ohne sie oder ihn jemals zu finden. Was wollen wir von einem Lehrer oder was glauben wir zu wollen? Sind wir bereit für einen spirituellen Lehrer? Wie wissen wir, ob es die richtigen Lehrer für uns sind? In diesem Artikel werden wir uns näher mit diesem Thema befassen und unsere Einstellungen und Erwartungen gegenüber Lehrern untersuchen.

Auch wenn du sagst ” ich bin jetzt bereit für einen spirituellen Lehrer”, bist du es möglicherweise noch nicht. Wie bei jeder anderen Beziehung, auf die du dich einläßt, ist es gut zu wissen, wo du heute stehst und welche Ängste und Befürchtungen du hast. Zur Klärung dieser Punkte stelle ich meinen Schülern folgende Aufgaben:

Schreibe eine Liste mit vier Enttäuschungen oder Desillusionierungen, die du in der Vergangenheit durch deine spirituellen Lehrer erfahren hast. Was hast du aus diesen Erfahrungen gelernt? Wie haben sie die Art und Weise geprägt, in der du heute über Lehrer denkst? Bist du offen dafür, das Risiko neuer Erfahrungen einzugehen?

Was erwartest du von einem Lehrer, einer Lehrerin?

  • Ich brauche einen Lehrer, weil ________
  • Ich will, daß mein Lehrer ____________
  • Ich will nicht, daß mein Lehrer ________
  • Meine größte Angst in bezug auf die Arbeit mit einem Lehrer ist __________
  • Mein idealer Lehrer ist jemand, der ____

Wenn wir anfangen wollen, spirituell zu arbeiten, suchen wir oft zuerst nach dem richtigen Lehrer und gehen ihm oder ihr gegenüber eine Verpflichtung ein. Meiner Erfahrung nach funktioniert das nie sehr gut, es kann unser Wachstum manchmal sogar aufhalten. Ich arbeite mit vier Ebenen, auf denen man eine Verpflichtung eingeht, und meinem Gefühl nach sollte die Verpflichtung gegenüber dem Lehrer an letzter Stelle stehen.

  • Auf der ersten Ebene verpflichtest du dich gegenüber dir selbst und gegenüber deiner spirituellen Arbeit. Das ist der beste Ausgangspunkt für dich. Schau dir an, was du tust und warum du es tust. Was ist deine Motivation und wie groß ist dein Engagement dir selbst gegenüber zur Arbeit an dir selbst?
  • Auf der zweiten Ebene erweiterst du diese Verpflichtung über dich hinaus auf Great Spirit, oder wie immer du diese höhere Kraft nennst. Damit bittest du um Hilfe und erkennst an, daß du ein Teil von etwas Größerem bist, auch wenn du die Natur dieses Größeren noch nicht verstehst.
  • Auf der dritten Ebene versuchst du, einen Weg oder eine Übung zu finden, die deinem Herzen nah ist. Heute haben wir mehr als je zuvor die Möglichkeit, uns für Übungsformen aus der ganzen Welt zu entscheiden. Wenn du eine Übung gefunden hast, von der du glaubst, daß du sie jeden Tag machen wirst, dann, und erst dann, ist es Zeit, einen Lehrer zu finden.
  • Auf der vierten Ebene gehst du gegenüber einem Lehrer oder einer Lehrerin, die dich bei dem nächsten Schritt auf dem Weg deines Wachstums unterstützen können, eine klare Verpflichtung ein. Das kann etwas so Einfaches wie der Besuch einer Abendveranstaltung oder etwas so Ernsthaftes wie ein Ausbildungsprogramm sein.

Bist du schon bereit dafür? Überlege dir noch deine Antworten auf die folgenden Fragen:

  • Was macht dir am meisten Angst an Veränderungen?
  • Was genießt du am meisten an Veränderungen?
  • Was bedeutet es für dich, ein Schüler, ein Lehrling zu sein?
  • Welche Verpflichtung bist du dir selbst und deiner Arbeit gegenüber schon eingegangen?
  • Bist du offen dafür, daß dein Lehrer vielleicht anders ist und aussieht, als du ihn dir vorstellst?
  • Bist du bereit, an deinem nächsten persönlichen Wachstumsschritt mit einem Lehrer zu arbeiten, der höchstwahrscheinlich den Teil in dir herausfordern wird, der für dich am schwierigsten zu bearbeiten und anzuschauen ist?
  • Bist du bereit für Veränderungen, die dein ganzes Leben betreffen und nicht nur einen isolierten Abschnitt?

Die “der perfekte Lehrer” – Falle kannst du vermeiden. Der Wunsch, den perfekten Lehrer zu finden, ist normal, aber es ist schwieriger als du annimmst, und zwar aus einem Grund, mit dem du vielleicht nicht rechnest. Wir kommen mit zwei Motivationen zu unserer Arbeit und unseren Lehrern. Die erste Motivation entspringt aus unserem Ego oder unseren Gewohnheiten, die es beide einfach nur bequem und sicher haben wollen. Wenn der Lehrer diese Art der Sicherheit herausfordert, kann unsere Reaktion darauf sein, ihn nicht mehr als guten Lehrer anzusehen und uns einen anderen zu suchen. Es kann uns passieren, daß wir von einem Lehrer zum anderen ziehen, bis wir uns schließlich mit uns selbst auseinandersetzen und unsere Muster erkennen.

Es ist etwas schwieriger, über die zweite Motivation zu sprechen. Es geht darum, was unser Geist oder unsere Seele für unser Wachstum will. Meine Lehrer haben immer gesagt, daß dies der Teil ist, der uns immer zu genau der richtigen Lernsituation führt. Diese Situationen sind selten angenehm und immer eine Gefahr für unsere Gewohnheiten. Doch wenn wir diese Art von schwierigen Erfahrungen durchlebt haben, bleibt uns davon meist ein Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit. Wenn du also nach dem ” perfekten Lehrer ” suchst, solltest du dich fragen: “Welcher Teil von mir sucht?”

Wenn meine Schüler auf der Suche nach einem Lehrer sind, empfehle ich ihnen, sich mit den folgenden Fragen zu befassen:

Kann diese Person mir bei dem nächsten Schritt in meiner Arbeit helfen? Das ist eine wichtige Frage, die du dir gleich am Anfang stellen solltest. Hat dieser Lehrer für sich ähnliche Erfahrungen gemacht und ist er gut durch sie durchgegangen? Hat er oder sie anderen geholfen, durch diese Erfahrungen hindurchzugehen und nicht darin steckenzubleiben?

Höre nicht nur auf das, was der Lehrer sagt. Spirituelle Arbeit hat, wenn überhaupt, nur sehr wenig mit unserem Verstand zu tun. Was fühlst und siehst du im Herzen und im Geist des Lehrers?

Ich sage immer: ” Die besten Lehrer lehren uns, wie wir denken sollen, nicht was wir denken sollen”, und das gilt auch dafür, wie wir arbeiten und lernen sollen. Hast du gelernt, wie du etwas tun sollst, wird dich das dein Leben lang begleiten. Hast du nur gelernt, was du tun sollst, überlebt sich das nach einer Zeit.

Sieh dir nicht nur den Lehrer an – sondern vor allem die Schüler unterschiedlicher Stufen. Unterhalte dich mit Schülern, die mit dem Lehrer für ein, zwei, fünf oder mehr Jahre gearbeitet haben. Frage sie, was sie ihnen gefällt und was nicht. Was haben sie gelernt? Wie geht es ihnen in ihrem Leben – nicht nur in ihrer spirituellen Arbeit? Dies wird dir mehr als alles andere sagen, was du in den kommenden Jahren von der Arbeit mit diesem Lehrer erwarten kannst.